Leseandacht

Leseandacht, 5.Februar 2023
Pfr. Anette Prinz, Musikstücke: Susanne Weingart-Fink

 

Über diesem Sonntag und der vor uns liegenden Woche steht das Wort aus dem biblischen Buch Daniel:
Wir stehen vor dir mit unserem Gebet und Vertrauen nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit. (Dan. 9,18)

Gebet Darüber lass mich nachdenken, Herr, was deine Güte, deine Barmherzigkeit, deine Liebe ausmacht:
dass ich heute Morgen gut gelaunt aufstehen durfte, dass ich keine Schmerzen habe, dass ich ein gutes Leben habe, dass Familie um mich ist, Menschen, die mich mögen. dass es gut auf dich meine Gedanken zu richten, dass du mich freundlich ansiehst, auch wenn ich Fehler mache, dass du mir zeigst, dass Güte mein Leben groß
und weit und macht. Ja, darüber will ich nachdenken und dir danken.

Bibeltext: Jesus sah einen Mann am Zoll sitzen. Der hieß Matthäus. Jesus sagt zu ihm: Folge mir! Da stand er auf und folgte ihm“. (Mt.9,9)

1
Gerne würde ich euch mehr erzählen über diesen Menschen Matthäus, aber ich weiß fast nichts über ihn. Seinen NameN, dass er am Zoll saß, aufstand und mit Jesus mitging, das ist alles. Es ist die kürzeste Jesusbegegnung in den Evangelien.
Ich weiß nur, dass ich anders als Matthäus- gezögert hätte, wenn Jesus plötzlich vor meiner Tür aufgetaucht wäre mit den Worten: Folge mir! Vielleicht hätte ich gesagt. Ich sitz gerade an meiner Predigt, die muss fertig werden. Oder: Es geht nicht. Ich habe gleich eine andere Verabredung Und wenn ich nichts vorgehabt hätte, dann hätte ich zumindest gefragt: Wohin soll ich dir denn folgen? Das muss ich erst Mal wissen“.
Ja, das muss ich erst mal wissen. Vielleicht ist diese Shortstory zuallererst ein Nachdenk-impuls für uns, wenn wir sie heute hören oder lesen: Wie gestaltet sich Nachfolge Jesu in meinem Leben? Gebe ich ihr überhaupt Raum? Wenn ja, Worin folge ich Jesus? Reicht es, wenn ich versuche, immer freundlich zu meinen Mitmenschen zu sein und so wenig Autozufahren wie möglich?
Oder geht es um weit tiefere Dinge?
Glaube ich Jesu Leben? Glaube ich seiner Auferstehung und dass seine Geisteskraft noch immer in der Welt ist und Großes bewirken kann? Großes in Sachen Liebe.
So muss es sein: diese wahrlich kurze Begegnung zwischen dem Zöllner Matthäus und Jesus trägt die Frage an uns heran: Spielt Jesus für dich und dein Leben eine Rolle? Ich gebe die Frage an dich weiter. Zum drüber Nachdenken, zum Reden drüber in der Familie, im Freundeskreis, in der Gruppe: Welche Rolle spielt Jesus für mich?

NL +212   
Wenn ein Mensch auf Gott sein Leben baut, wenn er Tag und Nacht auf ihn vertraut,
hat er Zukunft, Hoffnung, Lebenskraft, weiß bei Gott sich ganz geborgen. Er ist wie ein Baum, der am frischen Wasser steht und dessen weitgespanntes Blätterdach niemals mehr vergeht: Er wird leben, blühen, Farben sprühen, Früchte schenken ohne Zahl.

2.
Etwas wissen wir doch von Matthäus. Wir wissen, dass er am Zoll saß. Er war also ein Zöllner. die galten zu Jesu Zeiten als Kollaborateure. Sie standen im Dienst der römischen Besatzer. Sie pachteten eine Zollstation und lebten davon, was sie neben der Pacht noch in die eigene Tasche wirtschafteten. Das konnte dazu führen, dass manche Zöllner übertrieben hohe Steuern verlangten.
Der Zöllner Zachäus war so einer. Er hat Jesus gestanden, dass er von manchen zu viel Steuern verlangt hat. Aber war der Zöllner Matthäus aus demselben Holz geschnitzt? Kann man von einem auf alle anderen schließen?
Dazu neigen wir ja gern: verallgemeinern zu wollen. Ein Asylsuchender, der kriminell wird, macht gleich alle Asylsuchenden verdächtig. Ein Polizist, der seinen Zorn an einem Demonstranten auslässt, macht gleich alle Polizisten verdächtig. Ein Zöllner, der sich bereichert, macht gleich alle Zöllner verdächtig.

Ob Matthäus ein korrupter Zöllner war oder doch ein guter: Wir wissen es nicht. Wir wissen viel zu oft fast gar nichts aus dem Leben anderer und fällen trotzdem schon unser Urteil. Wir wissen auch nicht, ob dieser Matthäus glücklich war mit seiner Berufswahl. Ob er überhaupt eine Wahl hatte? Ob es ihm etwas ausmachte, einen zwar einträglichen, aber keinen angesehenen Beruf auszuüben.
Wäre auch interessant zu wissen, ob Matthäus ein schlechtes Gewissen hatte und die dadurch verursachten Qualen mit Geld und einem gewissen Luxus betäuben konnte. Oder ob er kein Gewissen hatte und sich sagte:
Was die anderen denken, ist mir egal; ich nutze die guten Verdienstmöglichkeiten, die die Römer bieten.

So etwas erfährt man nur, wenn man miteinander spricht. Das hat sich Jesus wohl auch gedacht und sich mit Matthäus an einen Tisch gesetzt. Zumindest kann man die sich anschließende Szene im biblischen Text so verstehen. „Später. Als Jesus zu Tisch saß im Hause, da kamen viele Zöllner und Sünder und saßen zu Tisch mit Jesus und seinen Jüngern“. (Mt 9,10)

Beim Essen lernst du jemanden am besten kennen. Das geht schon bei der Auswahl der Speisen los.
Isst eine alles, oder ist sie wählerisch? Redet sie auch oder konzentriert sie sich nur aufs Essen? Nimmt er nur sich selber oder reicht er auch den anderen die Speisen? Beim Essen lernst du einen Menschen kennen.

Diese Erfahrung habe ich neulich auch gemacht. Vor unserer Kirche traf ich auf eine junge Frau. Von ihrem Gepäck her, schloss ich darauf, dass sie vielleicht kein festes Dach über dem Kopf hat. Ich lud sie zum Essen ein.
Ich erfuhr von ihrem Studium und dass Corona und die isolierte Situation im Unibetrieb sie krank gemacht haben. Sie hat das Studium aufgegeben, ihren Studienort einfach verlassen, ins Ungewisse hinein. Es war eine gute Begegnung auf beiden Seiten. Mir ging es in bisschen so, wie es in der Jesusbegegnung mit einem jungen Mann beschrieben ist, wo es nach ihrem Gespräch heißt: „Jesus sah ihn an und gewann ihn lieb.“ Die junge Frau ging dann wieder ihrer Wege, dankbar für den gesättigten Magen, die warme Dusche. Für den Moment erfahrener Freundlichkeit.
Aber wie oft mache wir das, uns interessieren für Menschen, denen wir auf der Straße begegnen, Menschen, die uns fremd sind, die einen anderen Lebenshintergrund haben als wir selbst? Wann laden wir sie gar ein an unseren Tisch oder lassen uns einladen, weil wir mehr wissen möchten? Wohl eher selten. Auch unser Misstrauen gegenüber fremden Menschen, steht uns oft genug im Weg.

Es gibt einige Tischgeschichten Jesu in den Evangelien. Sie verdeutlichen, dass Jesus sich mit allen Menschen an einen Tisch setzt: Mit Reichen, mit Armen, mit Ratsherren und mit Prostituierten, mit Betrügern und mit Gerechten, mit Frommen und Unfrommen.
Ich höre, wie Jesus aus diesen Geschichten heraus uns anspricht: Wie er sagt: Lernt von mir. Lernt in anderen immer erst den Menschen zu sehen. Den Menschen, der Gefühle hat wie du, Hoffnungen wie du, Wünsche wie du? Lernt von mir, dass jeder Mensch der Achtung wert ist. Lernt von mir, dass sich durch miteinander reden viel ändern kann zwischen Menschen. Und auch zwischen einem Menschen und seinem Glauben an Gott.

NL +212 Wenn ein Mensch auf Gott sein Leben baut, 

3.
Es gibt immer welche, die sehen das anders. Menschen, die ihr Leben für das Beste, ihre Überzeugung für die höchste halten. In Jesu Fall eine Gruppe von Pharisäern. Die kamen, schreibt der Bibeltext fort, um nachzuschauen mit wem sich Jesus da gemein machte. Ich stell mir vor, dass ist so, als würden heute religiöse Fundamentalisten Jesus in einer Loveparade entdecken. Oder anders gedacht: Demokratieaktivisten entdecken ihn in einer Querdenker-Versammlung.
„Als die Pharisäer das sahen, sagten sie zu seinen Jüngern: Warum isst euer Meister mit den Zöllnern und Sündern? Jesus hörte es und antwortete: Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken. Geht nun weiter und lernt, was es heißt: Erbarmen möchte ich, kein Opfer. Ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder“. (Mt 9,11-13)

Im Konfirmandenunterricht, in dem wir über diesen Text und die Frage nach dem Vergeben können gesprochen haben, sagten viel Konfirmanden: Man kann vieles, aber nicht alles vergeben.“
Die Gruppe der Pharisäer steht für alle, für die es in Punkto Vergebung eine absolute rote Linie gibt. Die Konfirmanden konnten nicht nachvollziehen, dass eine Mutter, deren Tochter durch einen Attentäter den Tod fand, bereit wurde, ihm zu vergeben. Ein Mord ist nie zu vergeben.
Für die Pharisäer liegt die rote Linie schon bei der falschen Berufswahl. Ein Beruf, der mich in Zwiespalt mit den göttlichen Weisungen bringt, ist ein NoGo für jeden, der an Gott glaubt. Das ist ihre Denkweise
Solchen Leuten kann man nur Verachtung entgegenbringen.

Für Jesus aber ist klar: rote Linien gibt es nicht, weil es sie für Gott nicht gibt. Jeder Mensch ist mit Würde zu behandeln, über niemanden soll man ein schnelles und endgültiges Urteil fällen. Und alle, die auf krummen Wegen gehen haben bei Gott eine Chance auf einen Neuanfang.
So soll es auch unter uns sein. „Das ist mein Auftrag“, sagt Jesus, euch das ins Herz zu legen. Und das, was es dafür braucht: die Lust an der Liebe, die Barmherzigkeit, die Vergebung möglich macht.

Ob die Zöllner, sich von diesen Worten überzeugen ließen? Ob sie sich mit an den Tisch setzten und das Gespräch suchten, mit denen, für die sie bis dahin nur Verachtung übrighatten? Es ist nicht erzählt. Wäre aber eine passende Fortsetzung. Ich glaube aber, dass Jesu Worte allen zu denken gegeben haben; dass alle über sich nachgedacht haben, die Zöllner über ihren Beruf und die Pharisäer über ihre Werte und Prinzipien.
Wir hier sind keine Zöllner und keine Pharisäerinnen. Und sind vielleicht doch von beiden etwas.
Zum Nachdenken wollen uns die biblischen Texte immer noch bringen: Urteile ich zu schnell und unwissend? Sind meine Werte und Prinzipien unhinterfragbar gültig? Suche ich das Gespräch mit einem Menschen, bevor ich ihn wirklich abschreibe? Gibt es für mich eine rote Linie in Punkto Barmherzigkeit? Welche Rolle spielen Jesu Worte in meinen Leben?

Wem das zu viele Fragen sind, sei vorgeschlagen, sich einfach in der Praxis zu üben. Bei einer Zufallsbegegnung oder bei jemandem, den du nur vom Sehen kennst. Oder mutiger noch: bei jemandem, den du auf dem Kicker hast: Rede mit ihm, lerne sie kennen, hör seine Geschichte an, frag nach ihrem Namen und nach seinem Glauben. Und geh mit ihnen essen! Konkreter kannst du Jesus nicht nachfolgen.

NL 93 1 Wo Menschen sich vergessen, die Wege verlassen und neu beginnen, ganz neu
Refrain: Da berühren sich Himmel und Erde ,dass Frieden werde unter uns.
Da berühren sich Himmel und Erde, dass Frieden werde unter uns.
2
Wo Menschen sich verschenken, die Liebe bedenken und neu beginnen, ganz neu. Da berühren sich …
3.
Wo Menschen sich verbünden, den Hass überwinden und neu beginnen, ganz neu. Da berühren sich .

Vater unser 
Segen    GOTT segne dich und behüte dich. GOTT lasse sein Angesicht leuchten über und sei dir gnädig. GOTT schaue liebend zu dir hin und gebe dir Friede

 

 

 

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